Kommunikation in sozialen Berufen verstehen und meistern
Die vier Seiten einer Nachricht – kurz erklärt
Wenn wir miteinander sprechen, senden und empfangen wir weit mehr als Worte. Friedemann Schulz von Thun hat dieses Phänomen mit seinem bekannten Vier-Ohren-Modell beschrieben. (Manch eine kennt es noch aus der Ausbildung). Jede Nachricht enthält demnach vier Ebenen:
- Sachinhalt (Sachebene): Was wird faktisch gesagt?
- Appell (Appellebene): Was soll ich tun oder lassen?
- Beziehung (Beziehungsebene): Wie stehen wir zueinander?
- Selbstoffenbarung: Was gibt die Person über sich selbst preis?
Dieses Modell hilft uns zu verstehen, warum Kommunikation oft so kompliziert wirkt – besonders in sozialen Berufen.
Systemische Perspektive: Warum wir unterschiedlich hören
Wir hören nicht immer gleich. Unsere „aktiven Ohren“ verändern sich je nach Kontext, Rolle und Stimmung.
In sozialen Berufen – also in Pflege, Erziehung oder Sozialarbeit – sind bestimmte Ohren besonders sensibel eingestellt. Das ist kein Zufall, sondern systemisch erklärbar: Unser berufliches System prägt, wie wir hören.
Wir hören oft, um zu funktionieren.
Wir hören, um zu helfen.
Wir hören, um professionell zu wirken.
Das ist kein persönlicher Makel – sondern Ausdruck deiner beruflichen Rolle.
Beispiel aus dem Kita-Alltag
Deine Leitung betritt den Gruppenraum und sagt:
„Der Schuppen sieht aus wie die Sau!“
Wie du diesen Satz verstehst, hängt davon ab, mit welchem Ohr du gerade hörst:
- Sach-Ohr: „Der Schuppen ist unordentlich.“
- Appell-Ohr: „Ich soll das sofort aufräumen.“
- Beziehungs-Ohr: „Sie findet, ich mache meinen Job nicht gut.“
- Selbstoffenbarungs-Ohr: „Vielleicht ist sie selbst gestresst.“
Im Kita-System ist oft das Appell-Ohr besonders wachsam. Viele Fachkräfte hören automatisch: Ich muss etwas tun! – und übernehmen sofort Verantwortung.
Das hängt mit den typischen Erwartungen im System zusammen:
- Verantwortung übernehmen
- keine Fehler machen
- ein professionelles Bild abgeben
Systemisch gesehen reagierst du also nicht überempfindlich – du reagierst rollenlogisch.
Beispiel aus der Pflege
Du betrittst das Zimmer eines Bewohners, und er sagt:
„Na, du bist aber früh dran!“
Harmlos, oder? Und doch kann der Satz auf mehreren Ebenen mitschwingen:
- Sach-Ohr: „Du bist heute früher hier.“
- Appell-Ohr: „Komm später wieder.“
- Beziehungs-Ohr: „Dein Kommen bringt meine Routine durcheinander.“
- Selbstoffenbarungs-Ohr: „Ich bin überrascht oder brauche noch Zeit.“
Zwischen Empathie und Professionalität zu balancieren, ist hier tägliche Übung.
Als Pflegekraft hörst du oft mit einem weit geöffneten Selbstoffenbarungs-Ohr – du möchtest erkennen, was dein Gegenüber braucht, und empathisch reagieren. Diese Fähigkeit ist wertvoll – sie ist ein zentrales Soft Skill deiner Profession.
Im Team-System: Wenn jede Kollegin anders hört
Teamsitzungen sind ein Paradebeispiel für Kommunikationsvielfalt:
Ein Raum, zehn Fachkräfte, zehn Tagesformen – und mindestens vierzig Ohren, die gleichzeitig hören.
Systemisch betrachtet begegnen sich hier mehrere kleine Systeme.
Jede Person hört aus ihrer individuellen Rolle und inneren Haltung heraus.
Darum kann ein Satz wie „Der Schrank von XY sieht schlimm aus!“ vier völlig verschiedene Reaktionen auslösen:
Sach-Ohr:
„Der Schrank ist unordentlich.“
→ rein sachliche Feststellung
Appell-Ohr:
„Wir (oder ich) sollen das aufräumen.“
→ versteckter Handlungsauftrag
Beziehungs-Ohr:
„Sie findet mich (oder XY) unordentlich.“
→ unterschwellige Kritik oder Wertung der Arbeitsweise
Selbstoffenbarungs-Ohr:
„Unordnung stresst sie / sie mag’s strukturiert.“
→ gibt Aufschluss über ihre Haltung oder momentane Stimmung
Wenn du in solchen Momenten innehältst und dich fragst:
„Mit welchem Ohr höre ich gerade – und in welchem System befinde ich mich?“,
öffnest du Raum für Verständnis statt Drama. Das allerbeste ist: Nachfragen! „Was genau möchtest du zum Ausdruck bringen?“
Kommunikationsmodelle in der Praxis: Selfcare durch bewusstes Zuhören
Professionelle Kommunikation bedeutet nicht, alles perfekt zu hören – sondern bewusst zu wählen, welches Ohr du öffnest.
- Nicht jeder Satz ist ein Auftrag.
- Nicht jede Kritik ist persönlich gemeint.
- Manchmal darf das Appell-Ohr einfach leiser werden.
- Das Selbstoffenbarungs-Ohr darf dagegen in der Pflege sanft mitschwingen.
Wenn du lernst, deine vier Ohren passend zum jeweiligen System zu justieren, entsteht mehr Klarheit, weniger Stress – und eine große Portion innerer Freiheit. Das allerwichtigste ist jedoch, das Bewusstsein darüber. Das ändert schon viel.
Das nächste Mal, wenn jemand sagt:
„Du bist aber früh dran!“ oder „Der Schuppen sieht aus wie die Sau!“,
darfst du dich fragen:
Aus welchem System höre ich gerade? Wie könnte es noch gemeint sein?
Fazit: Kommunikation als Schlüssel zu Selfcare
Das Vier-Ohren-Modell ist weit mehr als ein theoretisches Konstrukt.
Es ist ein Werkzeug, das dir hilft, deine berufliche Rolle, deine Grenzen und deine emotionale Selbstfürsorge bewusster zu gestalten.
Wenn du mehr Impulse zu achtsamer Kommunikation, Selfcare und beruflicher Zufriedenheit suchst,
besuch mich gern auf Instagram @soulspring_coaching oder auf meinem YouTube-Kanal.
Dort begleite ich Frauen in sozialen Berufen auf ihrem Weg zu mehr Ausgeglichenheit, Klarheit und innerer Stärke.