Seychellen oder Eifel?

Warum echte Bedürfnisse wichtiger sind als perfekte Postkartenmotive

Wenn mir jemand vor ein paar Jahren gesagt hätte, dass ich einmal einen Urlaub in der Eifel großartig finde, hätte ich wohl höflich gelächelt – und insgeheim gedacht: „in der Rente vielleicht.“
Aber genau das ist passiert. Trotz Regen. Trotz Kälte. Trotz Knie- und Rückenzwicken und Betten, die alles andere als rückenfreundlich waren.

Wie es dazu kam?

Motiviert durch Komplettspiele war mein Sohn momentan total auf Abenteuer, Panzer und „Tarnkleidung“ eingestellt. Sein größter Wunsch: Einmal in einen echten Panzer steigen.
Ja, ich weiß, da ziehen manche schon die Augenbrauen hoch. „Wie, dein Sohn wandert in Tarnklamotten über Truppenübungsplätze?“ (oder geht so zur Schule?)
Andere wiederum wundern sich, dass er überhaupt freiwillig mit uns wandert. Möglicherweise,weil er auch seine Wünsche und Bedürfnisse einbringen darf.

Also habe recherchiert, wo das überhaupt möglich ist, und bin bei Aachen fündig geworden: Auf einem Truppenübungsplatz stehen alte Panzer, die man zeitweise besuchen kann (Abends, wenn keine Übungen sind).
Weil das von Konstanz aus nicht gerade um die Ecke ist, habe ich geschaut, was man auf dem Weg dort hin noch erleben könnte. Und so sind wir in der Eifel gelandet.

Wir reisen viel und gern.

Aber bis wir soweit waren, dass Reisen für alle schön wurde, war es ein weiter Weg.
Früher hatte ich oft klare Bilder im Kopf: Wo es hingehen sollte, wie sich Urlaub anfühlen musste.
Und wenn dann unterwegs Unzufriedenheit aufkam, gab ich meinem Mann oder den äußeren Umständen die Schuld.

Ein Urlaub auf den Seychellen – paradiesisch, oder?
Trotzdem wäre dieser Traumurlaub für uns beinahe zum Scheidungsgrund geworden.
Warum?
Weil ich damals meine Bedürfnisse nicht klar aussprechen konnte. Ich wollte Katalog-Urlaub, mein Mann, Natur pur. Dazu noch ein Kleinkind mit ganz eigenen Bedürfnissen.
Zu dem kannten wir Musts und Don’ts des jeweils anderen nicht oder haben sie nicht ernst genommen. Man geht ja oft davon aus, dass manche Dinge jeder gleich sieht oder empfindet. Dem ist häufig jedoch nicht so.

Heute wissen wir:

Jeder bringt seine eigenen Bedürfnisse ins Reisen mit.
Und wenn die ignoriert werden, kann selbst das schönste Reiseziel zur Belastung werden.

So fanden wir z.B. heraus: Wandern funktioniert bei uns erstaunlich am besten – wenn der Weg stimmt.
Je breiter, grader und langweiliger der Weg, desto schlechter wird die Stimmung (vor allem beim Kind).
Je abenteuerlicher, je schmaler, je verrückter – desto besser läuft’s.
Deshalb suchen wir uns mittlerweile gezielt Touren aus, die irgendetwas Besonderes haben: bizarre Felsformationen, spannende Lost Places, Höhlen oder einfach ungewöhnliche Routen.

Die Teufelsschlucht war in diesem Urlaub eines meiner persönlichen Highlights:
Leitern, die durch enge Felsspalten führten, immer wieder überraschende Ausblicke, fast keine anderen Wanderer – wegen dem „schlechten“ Wetter, das nach ein paar Minuten keine Rolle mehr spielte, weil wir so beschäftigt waren.
Wenn es anstrengend wurde, habe ich Ausschau nach Fotomotiven gehalten, mir Zeit genommen, Schnecken und Blumen am Wegesrand zu bestaunen oder einfach tief durchgeatmet.

Meine Erkenntnis

Irgendwie ist es genau das, was ich auch am Leben allgemein mag:
Nicht immer nur geradeaus, nicht immer nur einfach, aber voller kleiner Momente, in denen man kurz innehält und sich wundert, wie schön es doch ist – trotz allem.

Was mich zum Schmunzeln gebracht hat:

Immer wenn es matschig wurde, musste ich an meine Mutter denken.
Sie hat es gehasst, wenn mein Vater querfeldein gelaufen ist und wir Kinder anschließend von oben bis unten voller Matsch waren.
Dann kam ihr legendärer Satz: „Muss das jetzt sein?!“ – begleitet von ausgiebigem Schimpfen.
Und obwohl das damals für sie purer Stress war, waren das für mich als Kind oft die schönsten Momente.
Die wenigen Male, wo ich mich wirklich mit meinem Vater verbunden gefühlt habe: gemeinsam auf Abwegen, matschig, dreckig, frei.

Perfekt inperfekt

Natürlich läuft auch bei uns auch heute nicht alles perfekt.
Vor dem Urlaub hatte ich starke Knieschmerzen, mein Rücken hat immer wieder gemeckert, und die Betten in der Ferienwohnung waren, naja, sagen wir: herausfordernd.
Aber das ist nicht das, woran ich mich erinnern werde.
In Erinnerung bleibt das Glück, das Lachen, die kleinen Abenteuer und das Gefühl, dass wir gemeinsam unterwegs waren – auf unsere ganz eigene Art.


Es ist viel wichtiger, dass jeder seine Bedürfnisse leben darf.
Dass niemand sich zwingen muss, etwas toll zu finden, nur weil es im Reiseführer so steht.
Dass wir ehrlich miteinander sind und aussprechen, was wir brauchen.
Und dass manchmal eine matschige, windige Wanderung durch die Eifel erfüllender sein kann als ein weißer Sandstrand bei 30 Grad im Schatten und 90 % Luftfeuchtigkeit.

Nächste Reise:

Es geht auf die Azoren. Ja, das ist wieder was besonderes. Katalog-Urlaub wird es aber sicher nicht. Denn ezählt nicht einzig das Ziel, sondern vor allem wie wir es gemeinsam erleben. Aber ja, es erzählt sich definitiv aufregender.

Und du?

Worauf kommt es dir im Urlaub wirklich an – und welche kleinen (oder großen) Kompromisse helfen euch, damit alle auf ihre Kosten kommen?

Wenn du Lust hast, dich intensiver damit zu beschäftigen, wie ein entspannter, bedürfnisorientierter Alltag – oder auch ein richtig schöner Urlaub – gelingen kann, unterstütze ich dich gerne dabei.
Manchmal braucht es nur ein bisschen Mut, genauer hinzuhören – und loszulaufen, auch wenn der Weg matschig wird.

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